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Wenn die Väter mit ihren Söhnen | Kurzgeschichte

Autor: Luis 07.04.2023

Wenn die Väter mit ihren Söhnen ....Kurzgeschichte. Lesen Sie hier kostenlos weitere Kurzgeschichten, aus dem Leben des in Österreich geborenen Autors und Malers unter https://www.luis-steiner.de

Es war Sommer und wir machten Urlaub in meiner alten Heimat, in der schönen Steiermark.

Für den nächsten Tag war eine Bergtour mit Übernachtung im Freien angesagt. Mit einem erfahrenen Blick in Richtung Reiting und Reichenstein, das sind die Hausberge in unmittelbarer Sichtweite, prognostizierte mein Bruder für die kommenden zwei Tage optimales Bergwetter voraus.

Unsere Jungs, damit meine ich die von meinem Bruder und mir, waren damals zwischen 9 und 13 Jahre alt. Peter, der jüngere von beiden, war mit der hiesigen Bergwelt bestens vertraut. Er »durfte« seine Eltern schon ab seinen frühen Kindesbeinen an, bei »kurzen Wanderungen« von bis zu acht Stunden, ohne quängeln begleiten. Daniel freute sich jedes Mal, wenn wir nach Österreich zu seinen Großeltern fuhren und wir dann mit Sack und Pack, eine Bergtour machten.

Am nächsten Morgen ging es endlich los. Wir fuhren also in den Gössgraben rein, ohne dass etwas passierte, und stellten das Auto ab. Von da an ging es zu Fuß weiter. Nach zwei Stunden erreichten wir die Hütte von der Moosalm. Unser Scout, damit meine ich meinen Bruder, erkundete die Lage und schlug eine Abkürzung vor. Wir marschierten hinter ihm her. Nach zwei Stunden Eilmarsch verließen wir den gesicherten Weg und bald krochen wir nur noch auf allen vieren, die Kinder vor uns herschiebend, einen extrem steilen Hang hoch. Der Untergrund bestand aus Geröll, welches nach jedem Schritt nachgab und Steinschläge auslöste.

Nach weiteren zwei Stunden hatte ich das Gefühl, das wir uns festgelaufen haben. Ein Blick zum Horizont sagte auch dem blutigsten Laien, dass uns ein heftiges Gewitter im Nacken sitzt. Um die Kinder nicht zu beunruhigen, wartete ich auf einen günstigen Moment, um meinen Bruder meine beunruhigende Beobachtung mitzuteilen. Mittlerweile spürten auch die Kinder die aufkommende Gewitterluft und stolperten weiter nach oben.

Endlich, wir hatten das Plateau erreicht. Jetzt aber zack zack, die Zelte aufgebaut, und dann lass es doch schütten, was das Zeug hält. Die Jungs hatten ihr eigenes Zelt dicht neben unserem aufgestellt, sodass wir uns in Rufweite befanden, falls irgendetwas passieren sollte. Kaum kroch der Letzte ins Zelt, da schlug unmittelbar neben uns, mit einem ohrenbetäubenden Knall, der Blitz ein. Das war der Startschuss für das kommende Inferno. Minuten später war das Zelt der Jungs so beschädigt, dass sie bei uns Schutz suchen mussten.

Es war stockdunkel und wir hatten erst 14 Uhr. Wir versuchten, so gut es ging, eine Berührung mit den Zeltstangen zu vermeiden, falls sich ein Blitz verirren sollte. Ein neugieriger Blick nach draußen ließ uns die Haare zu Berge stehen. Die Fläche, auf der wir uns befanden, war rundum mit dicken Stahlseilen umzäunt, damit das Almvieh nicht abstürzen konnte. Die Seile waren ungefähr 12 mm dick und wurden durch Eisenbahnschienen, die als Pfosten dienten, durchgeführt. Wir befanden uns nicht weiter als 50 Meter davon entfernt.

Plötzlich schlug ein blauer bis grellweißer Blitz in einen der Posten ein, dem gleichzeitig ein fürchterlicher Knall folgte und wir durch die enorme Wucht, für einen kurzen Moment, die Bodenhaftung verloren. Kreidebleich und bewegungsunfähig warteten wir auf das, was jetzt noch kam. Irgendjemand sagte, »schau mal, die rote Schnur am Boden«. Die rote Schnur war das Seil, welches vom Blitz getroffen, glühend und dampfend in der Wiese lag.

Dabei bemerkten wir gar nicht, dass sich auch unser Zelt den Naturgewalten kampflos ergeben hatte, und wir in einer tiefen Wasserpfütze saßen.

Mit dem letzten Blitzeinschlag war auch das Gewitter vorbei, und die Sonne kam zaghaft hinter den abschiebenden Wolken zum Vorschein. Schnell verließen wir unseren überdachten Jacuzzi und standen, bis auf die Socken patschnass, im Freien. Das Zelt der beiden Jungs war platt wie eine Flunder, nur die Rucksäcke zeichneten sich noch von der Landschaft ab. Jetzt hieß es, so schnell wie möglich alle Sachen auspacken und zum trocknen aufhängen.

Mein Bruder war der Erste, der sich von dem Schrecken erholt hatte und bot mir einen kräftigen Schluck von seinem Überlebenselixier, Sliwowitz in reinster Form an, ein Gaumensex hoch drei. Schon der erste Schluck zeigte seine heilende Wirkung und mir wurde warm von innen. Die Kinder sammelten fleißig Feuerholz, während wir uns um die Feuer(Wasser)stätte kümmerten. Es war ein Bild für Götter. Vier Menschen nur in klatschnassen Unterhosen bekleidet, hüpften auf einer Almwiese herum und versuchten das nasse Holz zum Brennen zu bringen. Uns fehlte trockenes Papier. Aber woher bekommen, wenn nicht vom Gipfelbuch, welches Gott sei Dank, traditionsgemäß an jedem Gipfelkreuz in einer wetterfesten Box, vorhanden ist.

Schnell erklommen wir den Gipfel und kamen mit einer Handvoll trockener unbeschriebener Blätter wieder zurück.
Es klappte, die Flammen züngelten schon nach kurzer Zeit, und schnell breiteten wir unsere nassen Sachen nahe der Feuerstelle, zum Trocknen aus.

Die Zelte konnten wir, so gut es ging, trocken legen. Wir bereiteten unser Abendessen zu und das Gesprächsthema Nummer eins war natürlich das Gewitter. Ein traumhafter Sonnenuntergang verabschiedete den Tag. Wir saßen noch lange am Lagerfeuer und die Kinder bekamen glühende Gesichter. Ich hatte, bevor wir uns zum Schlafen gelegt hatten, meine Schuhe und die Socken an die Feuerstelle zum Trocknen gelegt. Wie ich am nächsten Tag feststellte, zu dicht, da sich nach kurzer Zeit, die Sohle von meinem Schuh in Wohlgefallen auflöste. Auch mehr als 30 Jahre danach, sprechen wir noch immer über das Abenteuer, oben am Wildfeld.

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