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Im Erholungsheim | Kurzgeschichte

Autor: Luis 31.01.2017

Im Erholungsheim. Kurzgeschichte. Lesen Sie hier kostenlos weitere Kurzgeschichten, aus dem Leben des in Österreich geborenen Autors und Malers unter: http://www.luis-steiner.de

Trotz der umfangreichen Krankengeschichte und meiner mickrigen Größe, sollte auch ich im kommenden Herbst eingeschult werden.
Kinder aus armen Familien so wie wir, wurden von der Caritas zur Erholung geschickt, dazu zählten auch mein Bruder und Ich.
 Monate vorher wurden wir gründlich untersucht, ob wir für überhaupt eine Erholung nötig hatten. Damit nichts von unseren Sachen verloren ging, musste unsere Mutter alles mit Namensschilder versehen.
 Im Juni war es endlich soweit.

Mit dem Zug ging es erst mal nach Graz. Dort warteten bereits einige Erzieher, die uns in Empfang nahmen. Mit dem Bus ging es anschließend weiter zur Laßnitzhöhe, wo auch das Kinderheim war. Anfangs hatte ich noch nicht geweint, aber je weiter wir uns von unserem Zuhause entfernten, desto trauriger wurde ich. Ich war froh, dass mein drei Jahre älterer Bruder mit dabei war. Einige Kinder, die ganz auf sich alleine gestellt waren, fingen schon beim Verabschieden von ihren Eltern an zu weinen, manche wollten überhaupt nicht einsteigen. Die wussten wahrscheinlich schon vorher, was uns erwartete.

 Das Erholungsheim in Form von einer langen gelben Baracke, lag auf einer Anhöhe. Unser Raum hatte acht Etagenbetten. In den Ecken lag überall Dreck und an der Decke gab es jede Menge Spinnweben, Gelsen und anderes Ungeziefer. Unsere Koffer wurden bei der Ankunft von den Erziehern, wie wir sie nennen mussten, gleich geöffnet und gefilzt. Wir durften nur etwas Wäsche, Seife und Zahnputzzeug rausnehmen, was wir für die nächsten Tage unbedingt benötigten. Süßigkeiten oder andere essbare Sachen, die sich unsere Eltern vom Mund abgespart und auf die wir uns schon so gefreut hatten, wurden von den Erziehern einkassiert und unter denen aufgeteilt.
 Dann mussten wir das »Zimmer« sauber machen. Die Erzieher waren sehr streng und haben uns auch manchmal geohrfeigt.

 Die ersten Tage habe ich nur geweint. Bettnässer wurden besonders liebevoll behandelt. Nur »Onkel Luis« war der einzige, der immer nett zu uns. Mich mochte er besonders gerne. Er hatte mir ein wunderschönes Schiffchen aus Baumrinde geschnitzt. Welches ich als einzige positive Erinnerung anschließend lange Zeit in Ehren gehalten hatte.
 Das Essen schmeckte überhaupt nicht, aber wir mussten so lange sitzen bleiben, bis wir den Teller leer hatten.

 Einmal die Woche wurde gebadet. In den Zimmern mussten wir uns schon vorher völlig nackt ausziehen und dann zuerst über einen Schotterweg, dann eine steile Wiese runter zur Waschküche gehen. Nicht nur das die Wiese rutschig war. Sie war noch dazu derart mit Hühnerdreck übersät, sodass wir unweigerlich Bekanntschaft mit unseren nackten Füßen machten. Unten angekommen mussten wir solange im Freien warten, bis die Wanne frei wurde. Dann durften die nächsten beiden Kinder in die Wanne. Aber bevor es tatsächlich soweit war, musste man erst in den Keller, in dem sich mehrere Schweine aufhielten und mit deren Gülle überflutet war. Damit wir aber nicht durch die stinkende Jauche waten mussten, hatte man darin einige Ziegelsteine versenkt, die etwa einen Zentimeter aus der Jauche ragten. Leider waren die Abstände soweit auseinander, dass wir die Kleineren, bei jedem zweiten Schritt in die Kacke getreten sind. Nicht einmal das Badewasser wurde nicht gewechselt, sondern nur bei Bedarf aufgefüllt.
 Die Erholung dauerte sehr lang. Am Ende hatte fast jeder Ausschlag am ganzen Körper oder eine andere ernsthafte Krankheit. Alle waren froh, als es dann endlich wieder heimwärts ging.

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